Einflussreiche historische Zwinger

Auf dieser Seite möchten wir Ihnen historische Zwinger vorstellen, deren Hunde nachhaltigen Einfluss auf die Entwicklung der Rasse gehabt haben und deren Zuchtprogramme aus heutiger Sicht kommentieren.

Nanfan (1952 - 2006)

It is hard to imagine that she is gone, BUT
she isn’t – I know that she is looking down
from Norfolk heaven and saying
„Liz, you cannot mate that bitch to that dog!“.

Liz Hindley

Australien

Joy Taylors Zwinger Nanfan brachte über die Jahre mindestens 43 Champions hervor, sowie 6 weitere Champions, die aus reiner Nanfan- Abstammung hervorgingen.

Der erste registrierte Nanfan war die 1952 geborene Nanfan Candy, eine Tochter von Colonsay Flip und Colonsay Full Corn. Deren Nachkommen paarte sie mit den bedeutendsten Deckrüden dieser Zeit: Elel Spruce, Ch. Waveneyvalley Alder und Ch. Gotoground Widgeon Bunny. Auch die 1958 geborene Hunston Hedge Warbler, eine Tochter von Ch. Waveneyvalley Alder, gehörte zum Grundstock ihrer Zucht.

Joy Taylor mit Nanfan Chinese Puzzle auf Crufts 1989

Der 1948 geborene Elel Spruce (links) war ein wichtiger Stammvater ihrer Zucht

Ihr erster Champion war der 1960 geborene Nanfan Nimbus. Dessen Sohn Nanfan Nimble zeugte mit der Hündin Nanfan Hayseed 7 Champions, von denen einer, Nanfan Heckle, zwischen 1965 und 1968 auf Crufts dreimal BOB gewann. Heckle war der richtige Hund zur richtigen Zeit und fand mit seinem ungeheueren Temperament großen Anklang in einer Zeit, in der Norfolks sich im Ring für ihre Anwesenheit noch zu entschuldigen pflegten. Auch Heckles jüngerer Bruder Nanfan Hayrake war auf Crufts erfolgreich. Insgesamt 12-mal gewannen ihre Hunde auf Crufts das Norfolk BOB, doppelt so oft wie jeder andere Zwinger.

Ihre Crufts- Sieger waren

  • 1965 Ch. Nanfan Heckle,
  • 1966 Ch. Nanfan Heckle,
  • 1967 Ch. Nanfan Hayrake,
  • 1968 Ch. Nanfan Heckle,
  • 1969 Ch. Nanfan Snapshot,
  • 1972 Ch. Nanfan Thistle,
  • 1973 Ch. Cinnamon of Nanfan,
  • 1974 Ch. Nanfan Shot,
  • 1979 Ch. Nanfan Sugar Lump,
  • 1980 Ch. Nanfan Copycat,
  • 1983 Ch. Nanfan Sweet Potato, und
  • 1989 Ch. Nanfan Chinese Puzzle.

Ch. Nanfan Heckle

Nanfan Caper

Ch. Nanfan Caper, der als junger Hund längere Zeit in den USA war, hatte von all ihren Hunden wohl den größten Einfluss auf die Rasse. Der 1990 geborene Ch. Nanfan Joystick, Sohn von Nanfan Caper, wurde zum wichtigsten Deckrüden Finnlands und hatte vor allem durch seinen Sohn Ch. Porrigito Claypot auch in Deutschland nachhaltigen Einfluss. Ch. Yarrow’s Henley, ein weiterer Caper- Sohn, trug ebenso zur Verbreitung der Nanfan Genetik in Deutschland bei wie zuvor Ch. Cracknor Candidate, ein Norfolk mit reiner Nanfan Abstammung.

Oft begann Joy Taylor die Showsaison mit zwei Junghunden, einem Rüden und einer Hündin, und am Ende des Jahres waren beide Champions. Dies war auch 1983 der Fall, als sich die Geschwister Nanfan Catmint und Nanfan Cat’s Cradle auf mindestens 5 großen Schauen BOB und BOS teilten. Joy Taylor zählte beide Hunde zu ihren besten Champions. Wichtig war ihr bei ihren Hunden neben Gesundheit und Temperament vor allem ein jagdhundartiger Typ und forsches Auftreten.

Nanfan Cat's Cradle und Nanfan Catmint

Ebenso bemerkenswert wie ihre Hunde war ihre Zuchtphilosophie:

I plan my breeding almost entirely on pedigree, taking the bitch line up and back to the great grandsire’s line which are the lines on which breeding is planned. It is possible to clear these lines with one’s own dogs where all the faults and attributes are known.

Joy Taylor

Joy Taylor züchtete also zum Teil sehr eng, wodurch die Inzuchtkoeffizienten ihrer Hunde in den letzten Jahren auf bis zu 57% angestiegen sind (Quelle: NNTC Data Base). Dies führte zu Problemen und erforderte eine scharfe Selektion auf Gesundheitsmerkmale. Auch wurden ihre Hunde sich genetisch sehr ähnlich, was den Zuchtfortschritt verlangsamte. Auf Schauen wurde sie immer öfter von Züchtern überrundet, die weniger eng züchteten.

Ein Ausweg wäre die Einkreuzung nicht verwandter Hunde gewesen, doch hierbei wäre der Nanfan-Typ leicht verloren gegangen:

I have always suspected that breeding like to like brings in too many factors which are unknown to me with a resulting mixed bag of types and soundness in the resulting litter (for which one freak ‚flyer‘ does not compensate) making it fairly impossible to plan a breeding programme for the progeny with any semblance of sustained type, soundness and temperament.

Joy Taylor

Solch ein Glücksspiel kam für sie nicht in Frage. Doch es ging auch ohne:

Der 2001 geborene Ch. Nanfan Calamus, dessen Ahnentafel in 7 Generationen ausschließlich Nanfans und Hunde mit reiner Nanfan- Abstammung enthält, wurde erster Norfolk Grand Champion Australiens!

Joy Taylor starb im April 2006 im Alter von fast 84 Jahren.

Nanfan Calamus

Nanfan: Beurteilung aus heutiger Sicht

Die Hunde aus Joy Taylors Zucht bildeten einen geschlossenen Genpool. Hunde von anderen Zwingern setzte sie nur dann ein, wenn diese eine reine Nanfan Abstammung hatten. Sie tat dies, um die Uniformität ihrer Hunde zu erhöhen und erwünschte Eigenschaften zu festigen. Der enge Genpool führe zu einem Rückgang der züchterisch nutzbaren genetischen Varianz und zu einem Anstieg der Inzuchtkoeffizienten. Der Rückgang der genetischen Varianz hatte zur Folge, dass es ihr immer schwerer fiel, mit anderen Züchtern mitzuhalten (die meisten Crufts Sieger hatte sie bereits zwischen 1965 und 1974). Ein Anstieg der Inzuchtkoeffizienten hat zur Folge, dass schädliche Gene immer häufiger reinerbig vorkommen. Da die meisten schädlichen Gene einen rezessiven Erbgang haben, reduziert dies zunächst die Vitalität der Hunde. Das Zuchtverfahren mit dem Joy Taylor dieser Entwicklung entgegensteuerte wird als Purging bezeichnet: Man verpaart absichtlich oder unabsichtlich Anlageträger und züchtet dann nur mit den gesunden Nachkommen weiter, wodurch die Anzahl der schädlichen Gene, die die Hunde tragen, mit der Zeit abnimmt und die Vitalität der Hunde wieder zunimmt.

Da Norfolk Terrier jedoch eine geringe Wurfgröße haben, kann man nicht scharf selektieren. Daher ist das Purging bei dieser Rasse nur sehr bedingt erfolgreich. Zudem ist zum Zeitpunkt der Welpenabgabe oft noch gar nicht bekannt, welche der Welpen auch in höherem Alter gesund bleiben werden und daher zur Zucht verwendet werden sollten. Schließlich gibt es das Phänomen, dass das Purging zwar in der Umwelt erfolgreich sein kann, in der eine Linie gezüchtet wird, dass aber Probleme auftreten, sobald man die Hunde anders hält oder füttert.

Das Zuchtverfahren von Joy Taylor ist daher nicht zu empfehlen. Wissenschaftler empfehlen stattdessen die „Ein Migrant je Generation Regel“. Das heißt, jeder Züchter sollte, egal wie viele Hunde er hat, in jeder Generation (mindestens) einen möglichst unverwandten Hund zur Zucht einsetzen und zwar in dem gleichen Umfang, wie er seine eigenen Hunde einsetzt. Dies hat zur Folge, dass die Inzuchtkoeffizienten des Zwingers nicht wesentlich über das Populationsmittel ansteigen. Sehr erfolgreiche Züchter, die ihre Hunde in größerem Umfang an andere Züchter verkaufen, sollten mehr unverwandte Hunde einsetzen, da sie ansonsten nach einiger Zeit keine geeigneten unverwandten Hunde mehr finden würden.

Weitere Informationen zu aktuellen Entwicklungen in der Hundezucht finden Sie hier.

 

Ragus (seit 1943)

No airs and graces, just straightforward and upfront. If you asked her opinion she gave it to you honestly, without frills. […] Goodbye Marjorie – The Norfolk scene will be more boring without you.

Elisabeth Matell

England

Ragus Pass The Buck

Der bekannte Norfolk-, Norwich- und Border Terrier Zwinger „Ragus“ von Marjorie Bunting, Tochter Lesley Crawley und Mutter Grace Marks brachte insgesamt 94 englische Champions hervor, von denen 34 Norfolks waren. Zählt man die Champions von Lesley’s Ehemann Michael Crawley noch hinzu, so kommt man auf über 100. So viele englische Champions hatte bis jetzt kein anderer Zwinger.

Der Zwinger Ragus wurde 1943 gegründet. Zwar sollte es noch bis 1971 dauern, bis er mit der Hündin Ch. Ragus Bewitched den ersten Champion hervorbrachte, doch schon vorher begannen mehrere Zwinger erfolgreiche Zuchten mit Ragus- Hunden. Vater von Ragus Bewitched war Ragus Sir Bear, der als erster Black-and-Tan zwei CC’s gewann und vor allem wegen seines schönen Kopfes und seiner zurückliegenden Schulten zum wichtigsten Linienbegründer des Zwingers wurde.

An upright shoulder „has always been a prevalent fault in the breed, but one which we had avoided for a long time, mainly because of line breeding to Sir Bear who excelled in shoulders.“

Marjorie Bunting

Ragus Sir Bear war ein Hund mit reiner „Withalder We“-Abstammung. Er war liniengezüchtet nicht nur auf Ch. Nanfan Heckle, sondern auch auf Hunston Half Pint und führte somit auch wenig verbreitetes Blut. Wie Joy Taylor setzte auch Marjorie Bunting auf Linienzucht, vermeidete aber sehr enge Anpaarungen:

We really prefer closer linebreeding, aunts and uncles to nephews and nieces, grandparents to grandchildren, or cousins.

Marjorie Bunting

Erster Black-and-Tan Champion wurde Sir Bears Enkel Ch. Ragus Whipcord, der vor allem durch seinen schönen Kopf beeindruckte. Whipcord wurde Vater von 16 Champions. 7 von ihnen zeugte er mit Ch. Ragus Brown Sugar, einer Hündin mit gutem Temperament, guten Knochen und Substanz, kurzem Rücken und guter Schulter. Nur ihr Kopf, den sie von ihrem Vater Ch. Ickworth Ready geerbt hatte, gefiel weniger – und dies war auch ein wichtiger Grund für die Paarung mit Whipcord.

Ragus Whipcord, Foto: Anne Roslin Williams

Diese Paarung kann als Musterbeispiel einer Linienzucht gelten: Großvater mütterlicherseits sowohl von Whipcord, als auch von Brown Sugar war der Linienbegründer Ragus Sir Bear. Die weiteren Ahnen beider Hunde hatten überwiegend Nanfan- Abstammung. Insbesondere waren deren Väter (Ch. Ickworth Ready und Ragus Humphrey Bear) liniengezüchtet auf Nanfan Nimble, den Vater von Heckle.

Linienzucht, auch „Breeding by pedigree“ genannt, war das Zuchtverfahren, das ihrem Zwinger 94 Champions bescherte. 1979 beschrieb sie es im Norfolk Terrier Newsletter wie folgt:

First find the faults and virtues of your bitch. „Next study her pedigree, noting the good dogs and bitches in the first two or three generations. Now make a list of stud dogs who are related to her in the way I mentioned above, using only the good ones as common ancestors. Now compare the faults and virtues of these dogs to your bitch, taking particular care that the dog you choose does not have her faults. If you end up with several dogs I would advice new breeders to go for the dog who has already proved he can sire quality stock.“

Marjorie Bunting

Ragus Boy Blue, Foto: Dalton

Weitere einflussreiche Norfolks des Zwingers waren Ch. Ragus Browned Off (Sohn von Whipcord und Brown Sugar), der 9 CC’s gewann, sowie dessen Sohn Ch. Ragus Blacksmith. Auch sein Pedigree ist interessant: Der Vater, eine Großmutter und auch eine Urgroßmutter von Blacksmith stammen aus der bewährten Paarung (Whipcord x Brown Sugar). Bemerkenswert ist auch der 1986 geborene Ch. Ragus Boy Blue, der zu den letzten Norfolk Champions des Ragus-Zwingers gehörte und von seinen 16 CC’s allein 10 als Welpe gewann.

Viel Wert legte Marjorie Bunting bei ihren Hunden auf einen kurzen Rücken, kurze Beine, einen guten Kopf (etwa wie bei Ragus Sir Bear, Nanfan Heckle, oder Gotoground Widgeon Bunny), hartes Fell, gute Schultern, starke Knochen und Substanz, Gesundheit und Show-Temperament.

Neu beginnenden Züchtern empfahl Mrs. Bunting, bei der Gründung einer Linie besonders auf die Abstammung zu achten:

More important than her look is her pedigree, with line breeding to the best in the breed, is a great help as you have something to build on and don’t have to start from scratch. The other essential is knowledge of the breed. You need to know its prevalent faults and virtues, as well as details of [all] individuals behind your foundation bitch.

Marjorie Bunting

Mit der Hochzeit von Mr. Michael Crawley und Lesley erhielt auch dessen Zwinger „Elve“ seinen Aufschwung. Ein großer Star war Ch. Sallette Gold Bullion, Sohn des bedeutenden Vererbers Ch. Elve Cloudyhead, der 1991 bis 1993 25 CC’s und eine Terriergruppe gewann.

Marjorie Bunting starb 2001 im Alter von 75 Jahren. Der Zwinger wird von ihrer Tochter Lesley Crawley weitergeführt.

Ragus: Beurteilung aus heutiger Sicht

Die Inzuchtkoeffizienten der Ragus-Hunde waren deutlich niedriger als diejenigen der Nanfan-Hunde. Da der Zwinger zudem mehr englische Champions als jeder andere Zwinger gezüchtet hat, könnte man sagen, dass der Erfolg ihres Zuchtprogrammes Marjorie Bunting Recht gegeben hat.

Das ist jedoch leider nur bedingt der Fall. Das Problem ist, dass ein erfolgreicher Zwinger, der viele seiner Welpen als Zuchthunde verkauft, die gesamte Population mit den Nachkommen seiner Hunde „überschwemmen“ kann, was zu einem Einbruch der genetischen Diversität der gesamten Rasse führen kann. Die effektive Größe der Gesamtpopulation wird in solch einem Fall durch die effektive Größe der Teilpopulation bestimmt, die aus den Hunden der erfolgreichen Zwinger besteht. Dies hatte dazu geführt, dass die effektive Populationsgröße der englischen Norfolk Terrier bis zum Jahr 1990 bei nur etwa 25 Hunden lag, wohingegen eine effektive Populationsgröße von mindestens 100 Tieren von Wissenschaftlern empfohlen wird. Dies hatte zu einem stetigen Anstieg der Inzuchtkoeffizienten der Rasse geführt, der jedoch etwa 1990 ein Ende fand. Seitdem steigen die Inzuchtkoeffizienten kaum noch an.

Weitere Informationen zu aktuellen Entwicklungen in der Hundezucht finden Sie hier.

Literatur

Literatur zum Zwinger Nanfan

  • Howard, C. (2006): President’s Speech, Norfolk Terrier News Spring 2006.
  • Howard et. al. (2006): Joy Taylor Remembered, Norfolk Terrier News Spring 2006.
  • Howard, C. (2002): Norfolk Terrier in England, in: Norfolk Terrier, Sonderheft „Der Terrier“ 4/2002.
  • Taylor, J., Matell, E. (2005): How short-term interest became life-long devotion, The Norfolk Terrier Club of Great Britain, Year Book 2003-2004.

Literatur zum Zwinger Ragus

  • Andrews, Z. (2005): Zena Thorn Andrews, in: dogworld.
  • ANTIC (2001): Leading Norfolk and Norwich Breeder Marjorie Bunting Dies at Age 75.
  • Bunting, M. (1979): Choosing a Stud Dog, Norfolk Terrier Newsletter summer 1979.
  • Bunting, M. (1988): Building up a Bitch Line.
  • Howard, C. (2002): Norfolk Terrier in England, in: Norfolk Terrier, Sonderheft „Der Terrier“ 4/2002.
  • Lee, M. P. (2000): Norfolk Terrier, Interpet Publishing.